Wolfram Kraffert
1938 – 2000

Loge „Die Freunde zur Eintracht“

i.Or. Mainz

Symbolik

Wer sich mit Freimaurerei beschäftigt, wird sehr bald feststellen, dass im Zusammenhang mit dem freimaurerischen Ritual Symbole eine entscheidende Rolle spielen. Aber schon immer hat es nichtfreimaurerische Interessenten und Freimaurer irritiert, hierzu außerordentlich

unterschiedliche Aussagen zu erhalten, viel Widersprüchliches und wenig Bündiges.

 

Dabei scheint der Begriff so vertraut; begegnen wir ihm doch auf Schritt und Tritt in buntester Vielfalt. Jede Firma, die etwas auf sich hält, versieht sich und ihre Produkte mit einem Symbol („Logo“). Unsere Alltagsumwelt umgibt uns mit einer Fülle von Signalen und Hinweisbildern („Piktogramme“) auf Fahrstühlen, Fluchtwegen, Verkehrszeichen, Einrichtungen für Rollstuhlfahrer usw. bis hin zu den letzten Nichtigkeiten (z.B. dem Pfeil am Ende einer Illustriertenseite, wenn zum Weiterlesen umgeblättert werden soll). Für sie alle sieht man den Begriff „Symbol“ verwendet. Das gilt erst recht für Ausdrucks-Elemente der Kunst, der Literatur, der Religion, wie auch der Wissenschaft, des Rechtswesens, der Volkskunde usw.

 

Es ist also offensichtlich, dass der Begriff „Symbol“ für sehr unterschiedliche, wesenhaft verschiedenartige Erscheinungen verwendet wird, und es fragt sich, ob es sich hier vielleicht um einen der Begriffe handelt, die keine scharfe Eingrenzung vertragen, weil sie eine verschwommene Allgemeinbezeichnung für eine unklare Vielfalt ähnlich oder vergleichbar gelagerter Fälle darstellen.

 

In der Tat gibt es in der Literatur zur Symbolforschung Stimmen, „dass es auch der vereinigten Mühe Vieler“ nicht gelungen sei, eine eindeutige Definition des Symbolbegriffes zu liefern. Und auch manche Diskussionen über Fragen der in der Freimaurerei verwendeten Symbolik scheinen von der selben Auffassung getragen. Es ist dort nämlich verbreitet die Rede davon, dass es hinsichtlich „der Symbole“ in der Freimaurerei keine präzisen Festlegungen gebe; vielmehr könne sich jeder über sie seine eigenen Vorstellungen entwickeln (was zwar zunächst nur für den Inhalt gelte, was aber – da diese Symbole Inhalte wesenhaft vermitteln – notwendig zu einer Verdunkelung des Begriffes selbst führen muss); dies soll sogar typisch für die Freimaurerei sein. Diese Auffassung ist unbefriedigend. Glücklicherweise ist sie falsch.

 

Da, wie eingangs dargestellt, der Umgang mit Symbolen eine bedeutende Rolle in allen Lebenslagen spielt, wäre es sehr eigenartig und verwirrend, wenn es nicht möglich sein sollte, in die Vielfalt der Erscheinungen, auf die wir unter der Bezeichnung „Symbol“ stoßen, eine Ordnung zu bringen. Ohne eine solche Ordnung wäre es nicht möglich, sich qualifiziert mit den Wirkungen von Symbolen zu beschäftigen; und es fehlte jeder rationale Zugang zu der – auch schöpferischen, selbst anwendenden – Benutzung von Symbolen, wie sie für die Freimaurerei typisch ist.

 

Recht einfach erscheint die Wortgeschichte des Begriffes „Symbol“: er beruht auf einer Substantivbildung zu dem griechischen Verb „symballein“ = zusammenbringen (gedacht war z.B. an eine in zwei Teile zerbrochene Tonmarke, bei er die Innehabung der zusammengehörigen Stücke der gegenseitigen Legitimation diente). Es entstand der lateinische Begriff „symbolum“ und daraus das deutsche „Symbol“. Die Funktion als Erkennungsmarke führte zu der inhaltlichen Weiterentwicklung im Sinne von Wahrzeichen, Sinnbild. Der Vorgang des Zusammenfügens der beiden Teile führte zu der Bildung des Gedankens der Zusammenkunft, Übereinkunft, des Abgemachten. Von dort ist es nur ein Schritt zu der Definition von „Symbol“ als „Erkennungsbild“.

 

Beim Versuch einer begrifflichen Klärung könnte man es sich daher einfach machen und sagen: „Was ein Symbol ist, ist Frage einer Begriffsbestimmung. Dabei ist es wegen der Vielfalt der Erscheinungen zulässig auf den Versuch einer ontologischen, d.h. auf den Entstehungsgrund zurückgehenden, Begriffsbestimmung zu verzichten. Vielmehr reicht eine begriffliche Festlegung aus: Symbol ist, was ich so nenne. Ich bezeichne auf dieser Ebene als Symbol jedes Zeichen und Objekt, jede Lautoder Wortfolge und typisierte Handlung, mit der ein bestimmter, genau festgelegter Inhalt an jeden übermittelt werden soll, der diese Darstellung, diese Laute, diesen Gegenstand oder diesen Handlungsvorgang wahrnimmt“.

 

Diese Begriffsbestimmung würde jedoch auf einem Feld völlig versagen, nämlich immer dann, wenn sich die Frage stellt, ob das Symbol eine über die Definition hinausgehende, am Ende gar eine die Definition bestätigende Eigenbedeutung habe.

 

Diese Frage drängt sich immer wieder auf: z.B. bei der Beschäftigung mit vergleichender archaischer Symbolik, wenn gleichartige Ausformungen bei unterschiedlichen Kulturen auftauchen, und wenn dabei der Zusammenhang nahe liegt, dass diese gleichen Darstellungen aus gleichen Ursachen und mit gleichem Ziel entstanden sind. Hier ergibt sich doch zwingend die Frage: könnte man sich vorstellen, die Menschen dieser ganz unterschiedlichen Kulturkreise hätten gleiche rationale Entscheidungen getroffen und gesagt: für diesen Zusammenhang benutzen wir dieses Zeichen, z.B. für die Darstellung der Erde ein durch eine Kreuz in vier Teile geteiltes Quadrat? Wohl kaum.

 

Die Frage nach der Eigenwertigkeit von Symbolen drängt sich ferner selbst dann auf, wenn man der Auffassung zuneigt, die Bedeutung eines Symbols ruhe in einem ursprünglichen Konsens. Dann fragt man sich nämlich immer noch: Woher rührt die oft vorhandene Überzeugungskraft des Symbols bei denen, die von diesem Konsens nichts wissen? Könnte man sich etwa vorstellen, dass man jedem beliebigen Gegenstand, jeder beliebigen Darstellung oder Handlung einen Inhalt beilegen und darauf vertrauen könnte, dass diese gewollte Bedeutung auch bei denen ankomme, die die Bedeutungsvereinbarung nicht kennen (wofür es aber ausreichend Beispiele gäbe)? Andererseits steht jedoch unzweifelbar fest, dass es „Symbol“ genannte Zeichen und Formen gibt, die eine vereinbarte Bedeutung haben.

 

Es ist daher geboten, eine begriffliche Klärung zu suchen, die sich eng an die Vielfalt der unterschiedlichen, scheinbar oder auch tatsächlich ähnlichen Erscheinungen anlehnt. Hierzu empfiehlt sich folgender Weg:

 

Der Symbolbegriff ist zu differenzieren in „Symbole im weiteren Sinn“ und in „Symbole im engeren Sinn“. Dabei sollen „Symbole im weiteren Sinn“ alle Ausdrucksformen genannt werden, die überhaupt – immer oder zumindest auch – als „Symbol“ bezeichnet werden. Sie trennen wir sodann durch einen ausscheidenden Definitionsprozess vom „Symbol im engeren Sinn“. Dabei ergibt sich folgendes:

 

Aus der zu beschreibenden Menge von Erscheinungen werden zunächst die ausgeschieden, bei denen es völlig unzweideutig ist, dass sie Zeichen sind, deren Inhalt auf einer klaren Vereinbarung beruht:

 

Die Symbole in Wissenschaft und Technik
Verkehrszeichen
Signale
Piktogramme

 

 

Dabei kann ein und dasselbe Zeichen, je nach Anwendungsbereich, mehrere, aber immer qua Definition festliegende, Bedeutungen haben; z.B.: „+“ für: Addition; positive Spannung; Temperatur über Null Grad C; bessere Qualität; Zielpunkt; verstorben; Christus; Geist, die Materie durchdringend.

 

 

Auszuscheiden sind ferner

 

Embleme: Hierunter sind zu verstehen figürliche Darstellungen und Objekte, die nach allgemeiner Anschauung, meist aufgrund langer entsprechender Verwendung, eine bestimmte Idee oder Moral ausdrücken: z.B. der Lorbeerkranz als Zeichen des Ruhmes; Wappen; Firmenzeichen.

 

Attribute: Hierbei handelt es sich in der Regel um typische Accessoires, wie: Schwert, Waage und Augenbinde der Justitia.

 

Metaphern: hierunter sind zu verstehen bildhafte Ausdrucksweisen, deren Eigenbedeutung auch im übertragenen Sinn – oft allgemein verständlich – verstanden werden kann. Beispiel: schwarze Wolke, die Gewitter und Sturm ankündigt, wenn sie den zuvor sommerhellen Himmel ergreift; im übertragenen Sinn aber: das Ende vom Glück, nahendes Unheil. Mit dieser Sinnübertragung steht die Metapher nahe der

 

Allegorie: Sie wird häufig mit der Symbolik im engeren Sinn verwechselt, steht ihr aber auch vielfach nahe. Allegorien beziehen nicht selten Symbole im engeren Sinn ein. Die Allegorie unterscheidet sich vom Symbol im engeren Sinn dadurch, dass sie immer mit Sinnübertragungen arbeitet. Ohne deren Verständnis kann die Allegorie nicht verstanden werden. Man könnte sagen: Allegorien sind zusammengesetzte Metaphern. Einfaches Beispiel: Geflügelte Schildkröte als Ausdruck der Devise „Eile mit Weile“. Kompliziertes Beispiel: Dürers „Melancholia I“. Unter einer Allegorie versteht man also die Zusammenstellung von Figuren (Menschen, Tiere, Gegenstände) in Form eines ästhetischen Bilderrätsels, wobei davon ausgegangen wird, dass dem Betrachter die Eigenbedeutung des Dargestellten völlig vertraut ist, so dass es ihm möglich ist, von ihr auf den eigentlich beabsichtigten Sinngehalt zu schließen (es gab Zeiten, in denen die allegorische Ausdrucksform geradezu die gedankliche Lieblingsbeschäftigung der Gebildeten gewesen ist).

 

Dabei ist es eine notwendige und bezeichnende Konsequenz, dass die Allegorie zeitgebunden ist. Viele Allegorien der Vergangenheit sind heute nur noch Spezialisten verständlich: wenn ich z.B. nicht weiß, wer für Philemon und Baucis waren, oder Castor und Pollux, verstehe ich nicht, was das greise Ehepaar oder was die Zwillinge in dem Sinnbild sollen, das vor mir liegt; ebenso, wie in zweihundert Jahren vermutlich kaum noch jemand die Darstellung einer McDonald-Frikadellen essenden Marilyn Monroe spontan als „glückliches Amerika“ verstehen wird.

 

 

Auszuscheiden aus einer Definition des Symbolbegriffs im engeren Sinn sind ferner künstlerische Symbole, deren Sinngebung primär in der schöpferischen Idee eines Künstlers liegt. Unabhängig davon, ob hier mit Mitteln der bereits beschriebenen Art gearbeitet wird, oder ob Symbolik im engeren Sinn einfließt, muss hier mit individuellen Absichten und Verfremdungen gerechnet werden, die die Sinnhaftigkeit des Ganzen eben nur mit dem künstlerischen Wollen begreifen lassen. Beispiele: der Handschuh in Klingers gleichnamiger Serie, die Verwendung der g-moll-Tonart bei Mozart, die Farbe „Blau“ bei Trakl, um nur diese aus der ungeheuren Formenfülle zu nennen.

 

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wenn ich die bisher erwähnten Gegenstände unter den Begriff „Symbole im weiteren Sinn“ zusammengefasst habe, so soll dieses nicht etwa heißen, dass hier der Begriff „Symbolik“ eigentlich unangebracht sei. Es soll nur erkennbar machen, dass es sich hier um Erscheinungsformen handelt, die rational ganz erfassbar sind und bei denen als wesentliches Element ein Konsens über den Inhalt festzustellen ist. (Der künstlerische Bereich ist begrifflich keine Ausnahme, nur dass hier ein Einzelner einen Sinn setzt, den er eventuell verschweigt, der aber als intellektuelles Element vorhanden ist).

 

Das Eindringen in die Thematik wird zusätzlich dadurch erschwert, dass in bestimmten Zusammenhängen vereinfachend und scheinbar eindeutig Kennworte wie klassifizierende Begriffe verwendet werden, ohne klassifizierende Begriffe zu sein. Beispiel: „Emblematik“: Mit diesem Ausdruck wird keineswegs nur dann gearbeitet, wenn es um „Embleme“ im oben erläuterten Sinn geht. Vielmehr hat der Ausdruck sich – z.B. im Antiquariatshandel – für den Gesamtbereich der bildlichen Darstellungen mit unterliegender Sinnübertragung (meist Allegorien) eingebürgert.

 

Der Punkt soll hier nicht vertieft, sondern nur erwähnt werden. Man muss aus dem jeweiligen Zusammenhang heraus hinterfragen, was gemeint ist.

 

Es liegt für den aufmerksamen Betrachter offen zutage, dass mit den Methoden der Symbolkritik auf der Grundlage einer verstandesmäßig erfassbaren Übereinkunft nicht begriffen werden kann: Der Bereich jener als „Symbol“ bezeichneten Erscheinungsformen, für die ein irgendwie gearteter Konsens von vornherein nicht in Betracht kommt, die uns z.B. aus archaischer Zeit überliefert sind, die epochen- und kulturübergreifend zu allen Zeiten als schlichte Ausdrucksmittel des rational nicht Erfassbaren vorhanden sind und so benutzt.

 

Hier betreten wir den Bereich der „Symbole im engeren Sinn“. Für sie gilt zunächst die selbe Definition wie für „Symbole im weiteren Sinn“: Es handelt sich auch hier um – meist einfache – Zeichen, figürliche Darstellungen, Laute, Objekte oder typisierte Handlungen, mittels deren jedem, der sie wahrnimmt, ein Inhalt übermittelt wird. Dabei ist der charakteristische Unterschied zum „Symbol im weiteren Sinn“ darin zu sehen, dass dieser Inhalt nicht auf einem Konsens beruht, sondern auf einer der Psyche immanenten  archetypischen“ (Jung) Entsprechung. (Selbstverständlich gibt es Symbole, die sowohl als „Symbol im weiteren Sinn“ als auch als „Symbol im engeren Sinn“ angesprochen werden können; siehe als einfaches Beispiel wiederum die Figur „+“).

 

Durch die wesensmäßige Entsprechung des Symbols als Inbegriff eines Sinns mit der auf Sinnerfahrung ausgerichteten Psyche ermöglicht Symbolerfahrung den gemütsmäßigen Zugang zu Erfahrungen, die reinem Nachdenken nicht zugänglich wären.

 

Hier stoßen wir auf den schwierigsten Teil dieses Themas, nämlich die Frage: Wenn „Symbole im engeren Sinn“ keinen auf Konsens beruhenden Inhalt haben, und wenn sie Erfahrungen ermöglichen, die auf intellektuellem Weg und mit Nachdenken allein nicht zu erlangen sind: wie ist es dann möglich, Symbole bewusst in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, sie z.B. in einem Ritual zweckgerichtet zu koordinieren?

 

Wer könnte eine solche Leistung überhaupt vollbringen? Es müsste ja jemand sein, der einen absoluten und totalen Durchblick hätte. Und andererseits: Wenn „Symbole im engeren Sinn“ Auswirkungen haben können, die nicht primär rational gesteuert sind: wer sagt einem, dass diese Auswirkungen erwünscht sind?

 

Begeben wir uns damit nicht auf das Feld der Magie oder – wie die katholische Kirche befürchtet – der Sakramente? Hierzu ist folgendes festzustellen: Man kann „Symbole im engeren Sinn“ nach unterschiedlichen wissenschaftlichen Methoden untersuchen. Dabei wird man, je nach Wissenschaftszweig und Schule, zu bestimmten Ergebnissen kommen. Von keinem dieser Ergebnisse könnte a priori gesagt werden, dass es falsch oder richtig sei.

 

Es würde hier nicht weiterführen, wollte man auch nur an einem Beispiel demonstrieren, zu welch unterschiedlichen Ergebnissen unterschiedliche Methoden führen. Es kann aber – da es den, der im Besitz des absoluten Wissens wäre, nicht gibt – nur so verstanden werden, dass die Frage, was das Nichtdeutbare bedeute, sich letztlich von selbst ad absurdum führt, wenn sie mit der Absicht gestellt wird, eine letztgültige Antwort finden zu wollen. Es kann nur festgestellt werden, dass alle mit dem Thema Befassten sich darüber einig sind, dass es „Symbole im engeren Sinn“ gibt (mit teilweise unterschiedlichen Bezeichnungen); es könnte auch gelingen, für solche Symbole eine Liste aufzustellen, auf die sich wenigstens die meisten Symbolforscher einigen könnten. Der Rest, nämlich der Urgrund des Symbols und seine Aufnahme durch die Psyche eines einzelnen Menschen entzieht sich der verallgemeinernden Darstellung. Wie sich dabei dennoch eine sinnerfüllte Symbolanwendung ergeben kann, dafür ist die Freimaurerei ein anschauliches Beispiel:

 

Die Entstehung der Grundformen des freimaurerischen Rituals stellt einen langwierigen Prozess dar, bei dem das Moment der Erlebnis-Erfahrung eine entscheidende Rolle gespielt haben muss. Für diese Grundform gibt es keinen („allwissenden“) Autor, der gesagt hätte: „jetzt machen wir einmal das und das“.

 

Die Anzahl der Symbole im freimaurerischen Ritual ist beschränkt. Hierzu kommt noch ihre Einbindung in ein kosmogonisches Modell als dem symbolischen Ort und der symbolischen Zeit des rituellen Geschehens. Die Darstellungsformen sind nicht erfunden oder konstruiert, sondern von alters tradiert, aufgefunden und von äußerster Schlichtheit: Sonne, Mond, unbehauener und behauener Stein, eine helle und eine dunkle Säule, eine Kornähre, ein schachbrettförmiger Boden, das Pentagramm und das Hexagramm, eine, die Vorstellung eines kosmischen Urozeans aufnehmende schwarz-weiße Zickzacklinie, der Zikkurat (Stufenpyramide = Weltberg), um nur einige zu nennen. Dabei reicht die Loge vom Mittelpunkt der Erde bis zu den Sternen, von Osten nach Westen und Süden nach Norden. Die symbolischen Arbeiten vollziehen sich von „Hoch-Mittag“ bis „Hoch-Mitternacht“.

 

Ein besonderes, hier nicht ausführlich darstellbares Thema liegt in Umstand und Bedeutung der besonderen Symbolauswahl in der klassischen Freimaurerei. Sowohl für ihre Geistigkeit, aber auch (weitgehend unerforscht) als Anhaltspunkt für die Datierung der Entwicklung der freimaurerischen Rituale ist es bemerkenswert, welche Symbole (im engeren und im weiteren Sinn) verwendet werden und welche nicht. So gibt es trotz der Herkunft der Freimaurerei aus der Tradition der christlichen Dombauhütten originär keine für die christliche Religion typischen Symbole wie Kreuz, Lamm, Mandorla, Blut, Akelei oder die Symboltiere der Evangelisten.

 

Die Valenz der Symbole im engeren Sinn ist heute mit Methoden z.B. der Tiefenpsychologie im Nachhinein nachweisbar. Man kann davon ausgehen, dass ohne diese innere Valenz die Freimaurerei das selbe Schicksal erlitten hätte wie so manche konstruierte, ritualbenutzende Verbindung der Vergangenheit: sie wäre verschwunden.

 

Die Frage nach Magie und Sakrament wird gestellt unter Verkennung der Zielsetzung des freimaurerischen Rituals. Mit ihr müsste man sich nur dann auseinandersetzen, wenn diese Zielsetzung der von magischen Praktiken und der Spende von Sakramenten entspräche. Dann müsste man zunächst die bei vielen auf Protest stoßende Frage stellen, ob Magie und Sakramente überhaupt die behaupteten oder wenigstens erhofften Wirkungen haben, nämlich die sofortige Zweckerreichung wie: krank werden, in Liebe entbrennen, oder ähnliches (Magie), oder z.B. entsühnt werden (Sakrament). Freimaurerei: erstrebt oder behauptet derartige Absichten nicht. Der mit dieser Frage angesprochene Problemkreis muss daher nicht untersucht werden.

 

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die begriffliche Unterscheidung, die ich hier versucht habe, helfen kann, einige wesentliche Missverständnisse, die Freimaurerei betreffend, zu vermeiden:

 

Nur auf der Grundlage des Symbolbegriffes im engeren Sinn ist verstehbar, warum Freimaurerei absolut undogmatisch ist (ohne unverbindlich zu sein): Da das Symbolverständnis nicht von einem Konsens abhängt, braucht es nicht, ja kann es nicht jemanden oder eine Instanz geben, die festlegen könnten, was durch die Symbolik in ihrer spezifisch freimaurerischen Ausformung vermittelt werden soll.

 

Die Wirkung des Symbols beruht auf einer psychologischen Gleichformung. Jeder Mensch unterscheidet sich aber – trotz gleichartiger psychischer Struktur aller Menschen – von jedem anderen. Deshalb wird die Auswirkung der Auseinandersetzung mit einem Symbol trotz des grundlegenden Gleichklanges bei allen Menschen verschieden sein. (Insofern, aber auch nur insofern trifft es zu, wenn gesagt wird, jeder müsse den Sinn der freimaurerischen Symbolik für sich selbst formulieren).

 

Die beschriebene Charakteristik des Symbols im engeren Sinn ist eines der Hauptelemente für die Zeitlosigkeit und Internationalität der Freimaurerei und ihrer Ungebundenheit hinsichtlich religiöser Überzeugungen.

 

Sie ist schließlich der eigentliche Grund für die Wesentlichkeit der Freimaurerei, die den, der in ihr Erfahrungen sucht, nicht verbal, sondern in einer existentiellen Verinnerlichung an die Grundfragen unseres Seins heranführt.